E5 Variante – Juli ’24
E5 Variante – Juli ’24

E5 Variante – Juli ’24

Alpenüberquerung auf einer Variante des E5 – Juli ’24

Im Juli 2024 führten Timo & ich gemeinsam einen Teil seiner Family auf einer Variante des E5 über die Alpen.
Wie es dazu kam, welche Route wir gewählt haben (und warum) und was wir unterwegs alles erlebt haben – davon erzähle ich in diesem Beitrag sehr ausführlich.
Ich wünsche dir beim Lesen ganz viel Freude & hoffe, es weckt auch in dir Erinnerungen an schöne Bergtouren und die Vorfreude auf den kommenden Bergsommer. Und falls du danach auch so richtig Lust bekommen hast, dich an das Abenteuer Alpenüberquerung zu wagen, dann schau gerne bei unseren Touren vorbei.
Lesedauer: ca. 20min

Inhaltsverzeichnis:

  • Treffpunkt
  • Planung
  • Routenübersicht
  • Tag 1 – Aufstieg zur Mindelheimer Hütte
  • Tag 2 – Übergang zur Hanauer Hütte
  • Tag 3 – Über die Dremelscharte nach Zams
  • Tag 4 – Ins Pitztal und Aufstieg zur Braunschweiger Hütte
  • Tag 5 – Über das Pitztaler Jöchl nach Vent
  • Tag 6 – Aufstieg zur Similaunhütte
  • Tag 7 – Similaunbesteigung und Abstieg zum Vernagt Stausee
  • Fazit

Der Treffpunkt 

Montag, 15. Juli 2024 – Zug Richtung Oberstdorf 

Timo & ich sitzen mit unseren Rucksäcken in einem Viererabteil. Auch nach vielen geführten Touren, ist diese Mischung aus Vorfreude & Anspannung am ersten Tag noch immer da. Klappt unsere Anreise pünktlich? Erwischen wir den Bus? Wie ist die Gruppe drauf? Hält das Wetter heute? Ich höre Musik & schau dem Sonnenaufgang vor dem Zugfenster zu. Verliert auch nie an Schönheit, diese Natur 😊

Für Timo ist es bereits die zweite Alpenüberquerung der Saison, er kam 2 Tage vorher von den Drei Zinnen zurück. Ich habe noch eine Woche bei Siemens gearbeitet und nun starten meine 8 Wochen Bergzeit! Endlich! Dass wir direkt gemeinsam in die Saison starten, ist etwas Besonderes. Diese Tour haben wir komplett selbst organisiert und werden sie gemeinsam führen. Wie es dazu kam? 

Die Planung 

1 Jahr vorher – 10. Juni 2023 

Es ist ein warmer Frühsommertag, der runde Geburtstag von Willi, Timos Papa. Die ganze Verwandtschaft ist aus der Eifel angereist, um zu feiern. Bei der gemeinsamen Wanderung komme ich mit Timos Tante Waltraud ins Gespräch. Dass ich Bergwanderführerin sei, hätte sie mitbekommen und erzählt mir von einer geplanten Alpenüberquerung im kommenden Jahr. Timos Cousine Corinna & ihr Mann Robin haben zur Hochzeit ein Buch mit Erlebnisideen bekommen, u.a. eine Alpenüberquerung zu Fuß. Eltern & Schwiegereltern haben diese Seite gestaltet mit dem Zusatz “Wenn ihr nicht zu lange wartet, begleiten wir euch” – welch eine schöne Idee! Waltraud erzählt, dass sie von der Menge an Angeboten im Internet etwas überwältigt ist und zudem unsicher, wie viel sie sich selbst zutrauen kann & will. Am liebsten würden sie zu sechst wandern, so dass im Zweifel keine fremden Gruppenmitglieder Rücksicht nehmen müssen und sie das Erlebnis als Familie genießen können. Ob ich das denn nicht auch anbieten würde, fragt sie mich plötzlich. 

 “Ouuh ja” schießt es mir in den Kopf, darauf hätte ich riesig Lust. Touren geplant habe ich privat für Freunde schon reichlich, offiziell angeboten im Rahmen meiner UIMLA Qualifikation aber noch nicht. Während wir uns weiter unterhalten, rattert es in meinem Kopf bereits. Welche Routen kommen in Frage? Wie kann ich meine Lieblingshütten evtl. miteinbauen, wie das Programm so gestalten, dass “jung&alt” auf ihre Kosten kommen?  

Bei der Verabschiedung am nächsten Tag ist auch Waltrauds Mann Walter von der Idee überzeugt und wir verbleiben so, dass wir im Herbst telefonieren und Rahmenbedingungen und Zeitraum abstecken.  

Zurück in die Gegenwart – 10Uhr, Bahnhof Oberstdorf 

Unser Zug war pünktlich, alles lief nach Plan. Gerade beim Bäcker noch eine Frühstücks-Brezel geholt, kommen uns im Bahnhofsgebäude bereits die sechs E5-Aspiranten entgegen. Die Umarmung zur Begrüßung ist direkt sehr herzlich. Corinna & Robin hatten wir bereits 2 Wochen vorher beim Cousinen-Treffen in der Eifel wieder gesehen. Axel & Kerstin, Robins Eltern kannte ich bis dato noch nicht. Der erste Blick auf Rucksäcke & Ausrüstung war vielversprechend. So kleines & leichtes Gepäck habe ich bei einer Gruppe noch nie gesehen, glaube ich. Innerlich klopfe ich mir auf die Schulter für unser online Vorbereitungs-Treffen, bei dem wir die gesamte Packliste gemeinsam durchgegangen sind. Ich habe ein gutes Gefühl, die Anspannung schwindet und nach einem kurzen Check aller wichtigen Gegenstände im Rucksack, steigen wir in den Bus Richtung Kleinwalsertal, wo wir unsere Alpenüberquerung starten. 

Die Route 

Warum im Kleinwalsertal? Bei der Planung der Route habe ich mich an den Wünschen der Gruppe orientiert und meine eigenen Erfahrungen auf verschiedenen Alpenüberquerungen eingebracht. Ziel der Tour sollte Meran sein, dort machen beide Familien seit Jahren gerne Urlaub und das mediterrane Flair der Stadt ist wirklich einfach ein schönes Ziel. Den ewig langen Abstieg von der Seescharte nach Zams mit über 1800Hm bergab wollte ich uns aber gerne ersparen, ebenso den Kampf ums Taxi in Holzgau. Die Alternative über die Mindelheimer & Hanauer Hütte erschien mir als ruhigere Alternative mit mehr Optionen. Der Start am Montag versprach ebenfalls ein bisschen mehr von der Einsamkeit, die ich persönlich in den Bergen so genieße. Unsere grobe Route gibt es hier in der Übersicht: 

Tag 1 – aller Anfang ist schwer 

Los geht’s. Die Sonne scheint und es war bereits am Vormittag sehr warm an diesem Tag. Aus dem Bus konnte man bereits die 3 Schafalpenköpfe sehen, hinter denen die Mindelheimer Hütte, unser Tagesziel wartet. Nach dem obligatorischen Startfoto geht es hoch motiviert los. Wir gehen zügig, der Weg ist einfach und führt uns erstmal in das Wildental hinein bis zur hinteren Gemstelalpe. Nach einer kurzen Stärkung mit kühlen Getränken & dem berühmten Blaubeerquark, geht es nun steiler bergauf. Wir packen die Stöcke aus und ich drossel das Tempo etwas. Die Steilheit & die schwüle Mittagshitze werden dennoch schnell zur Herausforderung.

Waltraud kämpft, als kleinste in der Gruppe sind die Stufen hinauf für sie auch besonders anstrengend. Wir machen viele Trinkpausen und legen nochmal eine längere Pause an der oberen Gemstelalpe ein. Ab hier wird das Gelände nun auch erstmal etwas flacher, dennoch sind es noch gute 500Hm bis zur Hütte. Da sich langsam auch die angekündigten Quellwolken bilden und ich verhindern möchte, dass uns die Zeit bis zum Gewitter davon läuft, verteilen wir Waltrauds Rucksackinhalt etwas auf die anderen. Den Rucksack selbst tragen Timo & ich abwechselnd. Langsam, aber stetig kommen wir so voran und am Koblatpass auf über 2000m ist der größte Teil geschafft. Für die letzte Stunde brauchen wir aber nochmal volle Konzentration. Mitte Juli liegen in diesem Jahr nordseitig noch einige Schneefelder, in denen man sich keinen Fehltritt erlauben sollte. Geschafft, aber glücklich erreichen wir am frühen Abend die Mindelheimer Hütte. 

Wir haben länger gebraucht, als ich geplant habe. Irgendwie auch fies, denke ich. Am ersten Tag solcher Touren wartet immer direkt ein richtiges Brett, aber irgendwie muss man aus dem Tal ja erstmal an Höhe gewinnen. Ich hoffe insgeheim sehr, dass Waltraud sich nicht entmutigen lässt. Trittsicher genug ist sie auf alle Fälle, das hat sie im letzten Stück zur Hütte deutlich unter Beweis gestellt und für die folgenden Tage soll das schwülwarme Wetter weichen – das sollte auf jeden Fall helfen.  

Das angekündigte Gewitter kommt zum Glück erst später am Abend, so dass wir den ersten Abend unserer Tour im Freien ausklingen lassen können. Während wir uns das verdiente Essen schmecken lassen, erreicht ein älterer Herr völlig erschöpft die Hütte. Wir sind der erste Tisch Richtung Eingang und er fragt direkt, ob er sich dazu setzen darf und bestellt zwei Bier. Auf die Frage, wo er denn so spät noch herkomme, antwortet er trocken “aus Sylt”. “Nein, nicht generell. Wo bist du losgewandert?” – “in Sylt, vor gut 2 Monaten”. Er erzählt uns, dass er als Rentner im vergangenen Jahr Deutschland von West nach Ost durchquerte und sich für diesen Sommer die Nord-Süd Verbindung vorgenommen hatte. Morgen sollte sein letzter Tag werden. Geschlafen hat er immer draußen, in seiner Hängematte. “Und was hast du gemacht, wenn es gewittert hat?” fragt Robin interessiert. “Joa. Dann hatte ich Angst”. Der trockene Humor des Wanderers bescherte uns einen wahrlich lustigen Abend, der uns noch länger in Erinnerung blieb. 

Tag 2 – und dann kommt auch noch Matsch dazu 

Die erste Nacht im Matratzenlager ist geschafft. Erfahrungsgemäß ist die nie besonders berauschend, aber der Kaffee beim Frühstück richtet einiges. Pünktlich, als wir die Wanderstiefel schnüren, beginnt es draußen zu regnen. In unsere Regenklamotten gepackt, wandern wir trotzdem los – Zeit, das auszusitzen, hat man auf Alpenüberquerungen eigentlich nie wirklich. Der erste Teil des Vormittags führt uns auf einem steinig-erdigen Pfad bergab. Bei Regen wird das schnell zur Schlammschlacht, der Batz klebt am Schuh und das Bergab-Gehen wird deutlich anspruchsvoller. Wir kommen nur langsam, aber unversehrt unten an und können für den kurzen Gegenanstieg zum Schrofenpass die Regenklamotten wieder ausziehen. Mit Blick auf die Zeit entscheiden wir am Holzgauer Haus, zuerst mit dem Taxi nach Boden zu fahren und dort einzukehren. Telefonisch konnte ich unterwegs dort reservieren und so können wir die Pause ohne Zeitdruck verbringen. 

Toasts & Spiegeleier im Gasthof sind in dem Moment genau das Richtige, um sich aufzuwärmen und Kraft zu sammeln, für die anstehenden 600Hm zur Hanauer Hütte. Nach der Mittagspause reist der Himmel etwas auf, es bleibt trocken und wir wandern erst flach & unschwierig bis zur Materialseilbahn der Hütte. Hier treffen wir eine andere Wandergruppe wieder, die gerade ihre Rucksäcke in die Bahn lädt. Auch ein Teil von uns nutzt das Angebot und kann den steilen, letzten Anstieg so ohne Zusatzgewicht bewältigen. Auf der wunderschönen Terrasse der Hanauer Hütte genießen wir ein wohlverdientes Kaltgetränk und stoßen auf Etappe 2 an.  

Mein Blick hingegen wandert bereits zur Dremelscharte, dem Übergang für den nächsten Tag. Nach allem, was ich vorab an Info- & Bildmaterial recherchiert habe, wird das eine der Schlüsselstellen der gesamten Tour werden. Und das bei vermutlich noch einigem Altschnee im letzten Steilstück. Timo & ich verifizieren unser Bauchgefühl im Gespräch mit der Bergwanderführerin der Parallelgruppe und den Wirtsleuten und planen Alternativen. Bei der abendlichen Tourenvorbesprechung teile ich unsere Bedenken und zeige ein paar Fotos der Scharte. Aufgrund der Erfahrungen der ersten beiden Tage, können & wollen wir die Stelle nicht guten Gewissens mit der ganzen Gruppe gehen. Unser Alternativvorschlag eines Ruhetags, Bustransfer über das Hahntenjoch nach Zams, gemütlicher Aufstieg zur Unterkunft etwas oberhalb und Nutzung des Spa-Bereichs dort stieß bei der “älteren Generation” auf offene Ohren. Mit Corinna & Robin will ich es am nächsten Tag probieren (Timo hatte schni-schna-schnuck verloren 😉).  

Tag 3 – Wie Sie sehen, sehen Sie nichts 

Der nächste Morgen beginnt grau & nebelig. Aussicht gibt es so gut wie keine und so verabschieden wir uns und machen uns zu dritt auf den Weg hinauf zur hinteren / östlichen Dremelscharte, während die anderen fünf wieder nach Boden absteigen und dort mit einer abenteuerlichen Busfahrt übers Hahntenjoch nach Imst fahren, wo erstmal ein Café-Besuch wartet.  

Vor dem Kaffee warten auf uns drei aber erstmal gut 600Hm bergauf und der Weg beginnt direkt recht steil und führt in vielen kleinen Kehren Meter um Meter hinauf. Ein paar Schneefelder gilt es ebenfalls zu queren und auf inzwischen über 2400m gibt es heute auch nur noch zwei Farben: weiß & grau. Unterhalb der letzten steilen Rinne legen wir nochmal eine längere Zwangspause ein, da die Gruppe vor uns in dem brösligen Gelände viel loses Gestein lostritt. Wir vereinbaren, dass sie uns laut Bescheid geben, wenn sie aus der Schlüsselstelle raus sind und nutzen die Zeit schon, unsere Grödel bereit zu legen. Vorsichtig steigen wir dann an einem Fixseil entlang durch den Schutthaufen nach oben bis zum Schneefeld, das dankenswerterweise bereits gute Trittstufen enthält. Spätestens hier sind wir drei uns recht einig, dass die Entscheidung goldrichtig war, diese Etappe in kleinerer Konstellation anzugehen. Corinna & Robin schlagen sich extrem gut und ich habe richtig Spaß mit ihnen einen Schritt schneller unterwegs sein zu können. 😊

Oben angekommen erwartet uns leider kein phänomenaler Ausblick hinab auf den Steinsee, sondern weiterhin nur graue Nebelsuppe. Wir packen die Grödel zurück an den Rucksack und machen uns rasch an den Abstieg zur Steinseehütte, wo wir uns auf dampfende Suppe und Kakao mit Sahne freuen. Den Steinsee selbst erkennen wir erst zwei Schritte, bevor wir im Wasser gestanden wären. Auf eine Badeeinheit hat niemand so richtig Lust… Stattdessen warten wir kurz, ob sich das Monster von Loch Ness 🐍 zeigen würde – Fehlanzeige.   

Die Steinseehütte entschädigt direkt mit richtig feinem Essen und einem großartigen Ambiente im modernen Stil mit viel hellem Holz. Wir organisieren das Taxi gemeinsam mit der Bergschulgruppe und machen uns wenig später auf den langen Abstieg zur Alfuzalm, wo Günther, unser Taxifahrer, uns abholt. Der Weg ist unspektakulär und so vertreiben wir uns die Zeit mit guten Gesprächen. 
In Zams angekommen statten wir dem “berühmten MPREIS” (jeder E5-Wanderer war vermutlich dort) einen Besuch ab und motivieren uns für die letzten 200Hm zum Hotel mit einem Dosenbier. Gut gelaunt erreichen wir am Nachmittag unsere Unterkunft und erzählen uns gegenseitig von den Highlights des Tages. Da langsam auch die Sonne wieder durchkommt, lockt mich der angrenzende Badesee hier deutlich mehr als der Steinsee und so gönne ich mir eine kurze Auszeit, bevor wir den Abend bei gutem Essen und einer Runde Schnauz ausklingen lassen. 

Tag 4 – Sommer, Sonne, Sonnenschein 

Endlich! Der vierte Tag verspricht strahlend blauen Himmel und ich freue mich riesig, da man vom Weg zur Braunschweiger Hütte bis auf den Gletscher sehen kann. Da die Venetbahn diesen Sommer aufgrund von Revisionarbeiten ihren Betrieb gar nicht erst aufgenommen hat, ist die Alternative nur ein Shuttlebus und ein deutlich längerer erster Wanderabschnitt rüber ins Pitztal. Der zweite Teil des Tages mit gut 1000Hm Aufstieg zur Hütte ist allerdings auch kein Spaziergang und so entscheiden wir, direkt nach Mittelberg zu fahren und am Nachmittag optional noch einen Gipfel hinter der Hütte zu besteigen. Nach der obligatorischen Kaffeepause an der Gletscherstube haben wir auch heute wieder die Option, die Rucksäcke nach oben schicken zu lassen. Der Wegabschnitt entlang des Wasserfalls ist persönlich eines meiner Highlights und die Abkühlung tut gut. Wir genießen es, Zeit zu haben und lange Pausen in der Sonne machen zu können.

Die Braunschweiger Hütte auf 2759m ist DER Dreh- und Angelpunkt auf dem E5, an dieser Hütte kommt keine Gruppe vorbei. So ist es auch in diesem Jahr ein schöner Zufall, dass ich genau wie im vergangenen Jahr Hans hier wieder treffe. Hans war mein Ausbilder beim VDBS und bereits im vergangenen Sommer haben wir den E5 zufällig zeitgleich geführt. Beim Austausch über die kommenden Touren des Sommer stellen wir fest, dass wir uns 2 Wochen später auch in den Dolomiten sehen werden. Ich mag das sehr an diesem Job, dass man einerseits viel intensive Zeit mit der eigenen Gruppe verbringt, auf der anderen Seite aber auch immer wieder alte & neue KollegInnen trifft und sich in den allermeisten Fällen gemeinsam abspricht, Infos über Bedingungen austauscht, ein Bierchen am Stammtisch trinkt und sich gegenseitig hilft. Ich habe in meiner ersten Saison (und noch immer) viel von den Erfahrungen anderer profitiert und gebe nun auch meine gerne weiter. (Falls das jemand liest, der Infos braucht – meldet euch 😉) 

Auf der Hütte angekommen schnüren wir also nun nach einer kurzen Pause erneut die Wanderstiefel und nehmen gemeinsam mit Corinna, Robin & Axel noch die 150Hm zum Gipfel des Karleskopf, 2.901m in Angriff. Ein richtig schöner Hausberg, der uns mit einer traumhaften Aussicht belohnt, ehe der grandiose Hütten-Burger zum Abendessen auf uns wartet.  

Tag 5 – vom Sommer zurück in den Winter – Grödel & Schneerutsche 

Kinder, wie die Zeit vergeht (hätte meine Oma jetzt gesagt 😋). Schon Tag 5 und damit wartet die zweite Schlüsselstelle der Tour auf uns, das Pitztaler Jöchl auf 3000 minus 4 Metern. Wie immer gleicht der erste Teil der Tour einer Karawanenwanderung, da ausnahmslos alle der max. 160 Übernachtungsgäste einen der beiden Übergänge ins Ötztal (Pitztaler Jöchl oder Rettenbachjoch) nehmen. Wir reihen uns ein und fügen uns dem Schicksal – drängeln hilft hier nicht und überholen ist ebenfalls schwierig. Wir finden ein gutes Tempo, sehen sogar einen Steinbock und nach knapp 1,5h erreichen wir das Plateau am Joch, an dem sich bereits eine Schlange für den Abstieg bildet.  

Der Blick reicht hier oben nun hinüber ins Ötztal und auf das Skigebiet Sölden, das im Sommer zugegebenermaßen einfach nur grauenvoll aussieht. Überall stehen Bagger im Schutt, die bereits wieder die Pisten präparieren, damit hier im Oktober der Skiweltcup starten kann. Verrückte Welt, denke ich. Auf der einen Seite schmelzen uns die Gletscher davon, auf der anderen Seite baggern wir sie in Form, damit die Abfahrt steil genug wird… 

Naja, ich schlucke meinen Frust herunter und reihe mich stellvertretend bereits in die Schlange ein, um mir ein Bild von der ersten Schlüsselstelle im Abstieg zu machen. Anfang der vergangenen Sommersaison hat man hier nun Trittstufen aus Stahl eingebohrt, die die Stelle deutlich entschärfen. Nichtsdestotrotz liegt überall noch Schnee und wir entscheiden, den Abstieg mit Grödeln zu gehen – wofür haben wir sie schließlich noch kurz vor der Tour besorgt.  

Als wir an der Reihe sind, genieße ich es tatsächlich sehr, dass Timo & ich zu zweit führen. Während Timo mit allen Stockpaaren runter klettert und am Ende der Schlüsselstelle unterstützt, kann ich mich auf halbem Weg positionieren und beim Fuß setzen von unten helfen. Wir meistern die Stelle allesamt großartig und schwupps, sind wir wieder Teil der Karawane, die sich auf einer guten Spur im Schnee bergab arbeitet. Das Highlight des Tages wartet am Ende des Abschnitts – das letzte steilere Stück im flach auslaufenden Schneefeld verbringen wir rasant & johlend auf dem Hintern. Mein inneres Kind klatscht fröhlich in die Hände. Alle sind gut gelaunt, an den wichtigen Schlüsselstellen hochkonzentriert und danach für jeden Spaß zu haben – so soll es sein!

Unten am Panoramarestaurant angekommen, verpassen wir leider knapp den Bus, der uns durch den Gletschertunnel bringen soll. Und Frank, das Berliner Taxi-Urgestein am Rettenbachferner, ist mit Bergschul-Gruppe ausgebucht. Wir nutzen die Zeit, uns in kurze Klamotten zu schmeißen und ein zweites Frühstück in der Sonne zu genießen. Von hier hat man 2 Möglichkeiten, weiterzuwandern. Entweder mit dem Bus durch den Rosi-Mittermaier-Tunnel und über den Venter Höhenweg direkt bis nach Vent – oder mit einem anderen Bus ein Stück bergab und dann über den „Wald-und-Wiesen-Weg“ über einige herrliche Almen nach Bodenegg und mit dem Bus nach Vent. Da die Wetterprognose bereits für Mittag / frühen Nachmittag Unwetter vorhersagt, entscheiden wir uns für die Variante „unten rum“. Im Zweifel hat man hier viele Möglichkeiten, Schutz zu suchen und ist bei Weitem nicht so exponiert unterwegs wie am Panoramaweg. Der Weg über die Almen steht dem Höhenweg in meinen Augen in gar nichts nach – im Gegenteil. Ich genieße das saftige Grün und spätestens beim Jausenbrett auf der Löple-Alm sind wir alle ziemlich zufrieden mit unserer Routenwahl!

Tag 6 – Geburtstag auf über 3000m

„Happy Birthday too youu, happy birthday too youu, happy biiiiirthday liebe Waltraaaaud, happy birthday too youu.“ Mit fröhlichem Gesang & herzlichen Umarmungen beginnt unser Morgen im Hotel in Vent. Waltraud wird heute zum wiederholten Male 29 Jahre alt 😋 Wir frühstücken ausgiebig & stoßen auf den großen Tag an. Das Kaufhäusl in Vent gab sogar noch ein kleines Geschenk in Form von Likör und einer E5-Anstecknadel her. (Diese Idee hatten allerdings nicht nur Timo & ich 😁)

Stress haben wir heute keinen. Im Gegensatz zu den allermeisten Gruppen, müssen wir heute „nur“ bis zur Similaunhütte, wo wir eine weitere Nacht verbringen werden. „Nur“ heißt in diesem Fall allerdings doch stolze 1.200Hm, für die wir uns aber zumindest jede Menge Zeit lassen können.

Mit Corinna, Robin & Axel war ich am vorherigen Nachmittag noch im Bergführer-Büro in Vent und habe Klettergurte und Karabiner abgeholt. Für die drei steht am nächsten Tag noch ein großes Ziel auf der Liste: die Besteigung des Similauns, 3.666m. Die drei anderen haben sich gegen diese Option und für das „Ausschlafen“ am Sonntag entschieden – der E5 alleine ist auch wirklich Abenteuer genug. Um 9Uhr marschieren wir dann also los. Das Wetter ist nach den zwei herrlichen vergangenen Tagen heute wieder etwas bewölkter, aber immer noch recht warm. Der Abschnitt bis zur Martin-Busch-Hütte ist verhältnismäßig unspektakulär, aber so kann man mal wieder nebeneinander laufen und sich unterhalten. Nahezu unbemerkt überwindet man auf dem Forstweg schon die Hälfte der Höhenmeter. In der Hütte kehren wir gemütlich ein und lassen uns eine Suppe schmecken. Ich muss zurückdenken an meinen E5 im vergangenen Jahr. Damals waren wir aufgrund des Wetters bereits morgens um 5Uhr mit Stirnlampen in Vent gestartet. Während alle hier oben ihren zweiten Kaffee und ein Stück Kuchen genossen, checkte ich am Tablet des Hüttenwirts alle verfügbaren Wetterberichte & Wetterkarten und versuchte auf mein Bauchgefühl zu hören. Wie schön, dass wir diese Etappe heute deutlich mehr genießen können als damals!

Nach der Mittagspause machen wir uns auf den zweiten Abschnitt, der nun deutlich alpiner & karger wird. Der verbleibende Weg zur Similaunhütte ist geprägt von Steinen & Wasserläufen, die es zu queren gilt. Allerdings ist der Weg inzwischen wirklich hervorragend markiert, so dass wir die besten Übergänge finden und Orientierung hier kein großes Thema ist. (Disclaimer: kann sich bei Schnee & Nebel schnell ändern!)
Wir kommen gut voran und auch die verbleibenden Schneefelder im letzten Teil meistern wir ohne Probleme. Gegen 15Uhr erreichen wir die Similaunhütte und für einen Teil von uns damit den höchsten Punkt der Alpenüberquerung. Die Hütte liegt auf 3.019m am Niederjoch und markiert damit den Übergang von Nord- nach Südtirol. Der moderne Gastraum mit Glasfronten und die hervorragende Südtiroler Küche sind einer von vielen Gründen, weshalb ich schon öfter hier übernachtet habe. Nicht zuletzt sogar 2021 mit meinen Eltern.

Während der Großteil sich für einen gemütlichen Nachmittag im Gastraum entscheidet, ist Robin noch immer voll motiviert und so machen wir uns wenig später zu dritt auf zur Ötzi-Fundstelle. (Disclaimer: anspruchsvolles, alpines Gelände – Trittsicherheit & Schwindelfrei absolut erforderlich!).
Den „Mann aus dem Eis“ hat im September 1991 ein Ehepaar aus Nürnberg hier gefunden. Heute liegt die Mumie im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen. Knapp 2h sind wir in Summe unterwegs und über 300 weitere Höhenmeter kommen zu Robins Statistik dazu, aber der Ausflug lohnt sich. Wir haben die Steinpyramide am Fundort für uns und Robin bewegt sich in diesem anspruchsvollen Gelände so dermaßen gut, dass ich mehr und mehr überzeugt davon bin, ein Hochtourenkurs im nächsten Jahr sei genau das Richtige! Anfang der Woche haben wir noch ein paar Tipps zum sicheren & effizienten gehen gegeben und der Unterschied ist nun deutlich erkennbar. Er fühlt sich spürbar wohler in seinen Schuhen und hat Vertrauen in die Sohlen gefasst. So schön zu sehen, mit wie wenig Aufwand man oft große Wirkung erzielen kann!

Am Abend genießen wir die Aussicht von unserem Premium-Platz im Eck am Fenster und stoßen mit gutem Lagrein auf Waltrauds Geburtstag an. Früh geht es dann ins Bett, Klettergurte sind bereit gelegt und ich hoffe inständig, dass am nächsten Tag alles klappt und die drei das Erlebnis genießen können.

Tag 7 – Grande Finale mit Gipfelglück & Aperol

Sonntagmorgen. Es ist ein herrlich klarer Morgen. Wir sitzen heute nur zu fünft beim Frühstück in der Hüttenstube. Unsere Blicke wandern immer wieder zur Flanke Richtung Similaun-Gipfel und wir mutmaßen, welche Perlenkette dort oben denn wohl „unsere“ ist. Corinna, Robin & Axel wurden pünktlich um 6Uhr morgens von ihrem Bergführer Kilian in Empfang genommen und sind noch in der Dämmerung gemeinsam losgezogen. Als wir aufgestanden sind, müssten sie bereits am Gletschereinstieg gewesen sein. Wir verbringen den Morgen dick eingepackt draußen in der Sonne und ich klinke mich für eine Weile aus und steige hinter der Hütte ein Stück auf – ich habe noch eine Kleinigkeit vorzubereiten…

Während ich in der Sonne sitze und passende Steinchen für meine „Urkunden“ suche, blicke ich doch ein kleines bisschen sehnsüchtig Richtung Gipfel. Als Bergwanderführerin endet mein Arbeitsplatz dort, wo planmäßig Hilfsmittel eingesetzt werden müssen. Hochtouren zählen also nicht mehr zu unserem Zuständigkeitsbereich. Daher habe ich auch bei der Planung der Tour bereits über das Bergführerbüro in Vent diese „Baustein-Option“ angefragt und für die Gruppe einen Bergführer organisiert. Privat ist aber genau dieses Gelände das, wofür mein Herz schlägt. ♥ So gerne ich zuhause auch mal ausschlafe – wenn der Wecker in den Westalpen um 3Uhr klingelt, ist das irgendwie völlig okay. Für mich gibt es nichts Schöneres als diese ersten, ruhigen Stunden am Berg. Eine sternenklare Nacht, nur der Stirnlampenkegel vor einem, das Knirschen der Steigeisen auf dem Gletscher, das fast schon meditative Schritt vor Schritt setzen und nicht zuletzt der langsame Sonnenaufgang in all seinen Farben. Auf dem Gipfel des Similaun war ich selbst auch schon 2x und da ich regulär hätte bezahlen müssen, um mitzugehen, habe ich mich dagegen entschieden. Stattdessen freue ich mich nun wie eine Schneekönigin, dass die drei genau heute so perfektes Wetter haben und wünsche mir sehr, dass sie dieses einmalige Erlebnis genießen können und alles glatt läuft.

Zurück an der Hütte setze ich mich mit einem Cappucino zum Rest in die Sonne. Inzwischen sind wieder zwei Vierergruppen auf dem Rückweg ins Sichtfeld gerückt. Leider leider habe ich zu diesem Zeitpunkt mein Fernglas noch nicht und so können wir wieder nur mutmaßen. Als wir uns sicher sind, die vier aus der Ferne identifiziert zu haben, gehen Timo&ich ihnen ein Stück entgegen. Und tatsächlich, als erste Seilschaft des Tages erreichen Corinna, Robin & Axel mit Kilian in Rekordzeit wieder „festen Boden“. Der erste Eindruck sagt eigentlich alles – es war ein wahrlich einzigartiges Erlebnis. Das mitgebrachte Radler (ein Gag vom Vorabend) wird dankend angenommen und wir beglückwünschen die drei zu dieser Leistung und ihrem (bislang 😉) höchsten Gipfel. Gemeinsam gehen wir zurück zur Hütte, wo der Rest der Gruppe schon jubelnd bereit steht und ihnen einen gebührenden Empfang bereitet. Wir bestellen noch ein paar Getränke und lassen die drei erstmal ankommen & erzählen. Um 11Uhr, deutlich früher als geplant, starten wir dann gemeinsam den finalen Abstieg hinunter zum Vernagt-Stausee. Nochmal 1.200Hm bergab müssen überwunden werden und gerade zu Beginn noch ein paar seilversicherte Stellen. Also nochmal volle Konzentration!

Nach dem Bartgeier am Vortag über der Hütte sehen wir heute nochmal einige Murmeltiere und Kühe. Das Tierreich hat sich in der vergangenen Woche wirklich sehr facettenreich gezeigt. Der Weg zieht sich, den Vernagt Stausee sieht man bereits von Beginn an, aber so richtig näher kommen möchte er irgendwie nicht. Mit ausreichend Gummibärchen-Pausen erreichen wir dann nach 3h die Jausenstation am Tisenhof.

Es ist vollbracht!! Nach 73km, 5.300Hm Aufstieg und 4.400Hm Abstieg zu Fuß haben wir unser Ziel in Südtirol erreicht. Wir jubeln, fallen uns die Arme und beglückwünschen uns gegenseitig – und dann lassen wir uns das Jausenbrett und ein kühles Bier im Tisenhof schmecken. Da ich Papierurkunden für ein solches Erlebnis irgendwie fehl am Platz finde, habe ich mir vor einer Weile eine Alternative überlegt und überreiche meinen Gästen auf besonderen Touren gerne zum Abschluss einen kleinen, handgestalteten Meilenstein als Erinnerung. Zu jedem einzelnen habe ich mir noch einen kleinen Satz überlegt und lasse die Woche so nochmal ein kleines bisschen Revue passieren. Bei der Übergabe fließt dann doch bei allen ein kleines Tränchen. Die Freude darüber, diese Erinnerungen gemeinsam als Familie teilen zu können, ist in diesem Moment so greifbar. Und genau dafür liebe ich meinen Job. Die Alpenüberquerung hat jeder selbst geschafft, das Wandern kann ich niemandem abnehmen – aber Timo&ich haben außenrum unseren kleinen Teil dazu beitragen dürfen, dieses Erlebnis möglich zu machen und das macht mich in diesem Moment sehr stolz. Unsere erste selbst geplante, organisierte & durchgeführte Tour war eine ganz besondere, die nicht nur meinen Gästen lange in Erinnerung bleiben wird.


Pünktlich als unser Taxifahrer Arthur uns nach der späten Mittagspause und einigen „Ziel-Fotos“ abholt, um uns nach Meran bringen, beginnt es zu tröpfeln. Timing on point. In Summe hatten wir wirklich Glück mit dem Wetter, denke ich und merke, wie die Anspannung langsam abfällt. Ab hier kann ich die Verantwortung abgeben, das Hotel bei Meran hat Kerstin für alle gebucht, da die Gruppe noch ein paar Tage länger bleibt „um mal richtig Urlaub zu machen“ 😋 Arthur bringt uns direkt an die Passerpromenade und obwohl es noch immer regnet, ziehen wir zielstrebig in Richtung der nächstgelegenen Bar. Der obligatorische Aperol Spritz in Meran gehört einfach zu jedem anständigen E5 dazu!

Was bleibt?

Jede Alpenüberquerung ist auf ihre ganz eigene Art & Weise besonders. Und jede neue Gruppe, die ich dabei begleiten darf, gibt der Woche ihren individuellen Touch. Jedes Erlebnis ist so facettenreich wie die Berge selbst, ein Ranking der unterschiedlichen Touren kann (& will) ich daher gar nicht geben. Aber diese Woche war schon eine ganz besondere. Ich habe es sehr genossen, meine eigenen Ideen in die Planung einfließen lassen zu können und der Gruppe ein möglichst passendes Paket zu schnüren. Am Ende spielt ja auch irgendwie Vertrauen eine große Rolle. Meine Gäste geben mir ihre Zeit & Geld und vertrauen darauf, dass ich im Gegenzug ein Erlebnis daraus mache, das unvergesslich bleibt und für das sich die Mühen & Strapazen lohnen. Ich glaube, in diesem Fall ist das gelungen – zumindest erreicht uns ein paar Wochen später diese wunderschöne Postkarte:

DANKE ebenso an dieser Stelle an Corinna, Robin, Waltraud, Walter, Kerstin & Axel für euer Vertrauen in uns und diese erlebnisreiche Woche, an die auch wir noch sehr lange mit einem Grinsen denken werden. ♥

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