Mehrtageswanderung auf einer Variante der Alta Via 1 – August ’24
Im August 2024 führte ich den Dolomiten Höhenweg #1 gemeinsam mit Sophie, die hier ihre Praktikumstage sammelte.
Die Tour habe ich für Alpine Welten geführt und wir sind einem Teilstück der Alta Via 1 gefolgt.
Ich wünsche dir beim Lesen ganz viel Freude & hoffe, es weckt auch in dir Erinnerungen an schöne Bergtouren und die Vorfreude auf den kommenden Bergsommer. Und falls du danach auch so richtig Lust bekommen hast, das atemberaubende Panorama der Dolomiten und italienische Küche zu genießen, dann schau gerne bei unseren Touren vorbei.
Lesedauer: ca. 20min
Inhaltsverzeichnis:
- Treffpunkt
- Routenübersicht
- Tag 1 – Aufstieg zur Sennes Hütte
- Tag 2 – Übergang zur Lavarella Hütte
- Tag 3 – Über die Forcella di Lech zum Lagazuoi
- Tag 4 – Vom Falzaregopass zum Nuvolau und den Cinque Torri
- Tag 5 – Durch das Val Formin zum Rif. Croda da Lago
- Tag 6 – Über Cortina d’Ampezzo zur Dürrensteinhütte
- Tag 7 – Besteigung des Strudelkopfs und Abstieg
- Fazit
Der Treffpunkt
Sonntag, 04. August 2025 – Bus Richtung Pragser Wildsee
Sophie & ich sitzen mit unseren Rucksäcken im Bus – endlich. Die Beine sind erstaunlich locker, am Tag zuvor sind wir relativ spontan noch beim Pitztal Alpine Glacier Trail den P30 (30km & 1500Hm) mitgelaufen. Die verdiente Pizza am Abend und eine Nacht im Campingbus bei Sterzing haben offenbar als Regeneration gereicht, Anfang August ist mein Körper aber auch einfach schon sehr an das tägliche Auf- und Absteigen gewöhnt.
Für Sophie ist es die erste Führungstour überhaupt. Wir haben die gesamte Ausbildung zur Bergwanderführerin gemeinsam gemacht, Sophie hat sich allerdings ihrem Medizinstudium zuliebe dafür entschieden, Praktikumstage & Abschlussprüfung um 1-2 Jahre zu verschieben. Dass sie ihr Praktikum nun bei mir machen kann, freut mich wie ein kleines (vegetarisches) Schnitzel – Sophie ist definitiv meine beste Bergfreundin & liebste Tourenpartnerin ♥ und noch dazu spricht sie fließend italienisch – wir werden diese Woche also gegenseitig viel lernen können (& viel Spaß gemeinsam haben 😊).
Die Route
Während der „offizielle“ Dolomiten Höhenweg 1 am Pragser Wildsee startet, fahren wir in das Tal östlich davon und starten am Alpengasthof Brückele. Wir kommen am Nachmittag aber wieder auf die Originalroute und folgen dieser dann einige Tage bis Cortina d’Ampezzo. Dort verlassen wir den Alta Via 1 wieder und wenden uns wieder Richtung Norden, wo wir auf der Dürrensteinhütte eine letzte, spektakuläre Nacht verbringen. So kommen wir an Tag 7 zu Fuß zurück zum Ausgangspunkt.
Tag 1 – Anreise-Chaos & Edelweiß
Zurück zur Bushaltestelle an der Säge, an der Treffpunkt mit unserer Gruppe ist. Die Sonne scheint, Sophie und ich sind extra früh da und genießen im Gasthof vor Ort noch einen Cappuccino auf der Terrasse. Schon trudeln die ersten Gäste mit ihren Rucksäcken ein und setzen sich zu uns. Der Treffpunkt zur Tour wurde im Sommer nochmal 45min nach vorne verlegt, sodass genug Zeit blieb, ohne Stress zum Abendessen auf der Senneshütte sein zu können. Leider hat die Info irgendwie nicht alle erreicht bzw. wurde nicht von allen gelesen und so fehlt um 10:15 Uhr noch die Hälfte der Gruppe. Ein Teilnehmer hatte mich vorab schon kontaktiert und will am Ausgangspunkt, dem Alpengasthof Brückele zu uns stoßen. 2 weitere Teilnehmerinnen erreiche ich telefonisch und sie sind 5min später bei uns. Nicola & Andrea rufen mich verzweifelt vom Bahnhof aus Bruneck an, es gibt Probleme auf den Gleisen, der Zugverkehr ist stark beeinträchtigt (scheinbar nicht nur in Deutschland ein Thema…) und sie haben leider keine Chance mehr, pünktlich zu uns zu stoßen. Während wir also mit dem Rest der Gruppe kurz den Rucksackinhalt durchgehen und zur Bushaltestelle laufen, organisiere ich einen Plan B und schicke den beiden die Busverbindung zum Gasthof Pederü, von wo sie eigenständig in 2h auf breitem Fahrweg zur Senneshütte aufsteigen und am Abend zu uns stoßen können. Da ich nicht sicher bin, wie lange ich noch Handyempfang habe, schicke ich ihnen sicherheitshalber noch einen GPS Track mit und bitte sie, mich regelmäßig auf dem Laufenden zu halten.
Am Alpengasthof Brückele angekommen, stößt dann noch Tim zu uns und wir sind endlich vollzählig (zumindest für diesen Tag). Als bunt gemischte Gruppe starten wir gut gelaunt Richtung Rossalm, unserem Zwischenziel für die Mittagspause. Der Weg bis dort ist breit, einfach und führt in vielen Kehren schnell bergauf. So haben wir Zeit uns gegenseitig kennenzulernen. Tim ist Niederländer und zum ersten Mal in den Alpen unterwegs, Reiner & Daniel, Vater & Sohn dagegen haben schon viele mehrtägige Bergtouren gemeinsam gemacht. Auch Servane war schon viel unterwegs, (zuletzt mit Alpine Welten auf Schneeschuhtour in Norwegen) und freut sich auf das gemeinsame Gruppenerlebnis, genauso wie Caro, die gar nicht weit von mir entfernt lebt und mit dem Zug angereist ist. Sylvia aus der Schweiz ist mit ihren 77 Jahren meine bisher älteste Teilnehmerin und ist sonst viel in den Schweizer Alpen wandern. Ich genieße es total, im Sommer so viele unterschiedliche, spannende Menschen kennenlernen zu dürfen und freue mich auf viele inspirierende Gespräche in den kommenden Tagen.



Nach einer Mittagspause an der Rossalm mit guter Minestrone und Holunderschorle geht es zügig weiter. Ganz stabil ist das Wetter für den Nachmittag nicht vorhergesagt und der höchste Punkt der Tour liegt mit der Forcella di Cocodain auf über 2.300m noch vor uns. Hinter der Hütte wird der Pfad zunehmend schmaler und steiniger, die Sicht dafür weiter und nach einer guten Stunde eröffnet sich an der Scharte das wunderschöne Panorama des Naturparks Fanes-Sennes-Prags.
Als wir nach einer kleinen Foto- und Trinkpause langsam wieder die Rucksäcke schultern und weiter wandern entdecken wir es: ein Edelweiß! Während ich Tim auf englisch begeistert erkläre, dass diese Pflanze DAS Symbol der Alpen ist, unter Schutz steht und nur noch ganz selten vorkommt, entdecken wir noch eines, und ein weiteres. Dutzende Edelweiß säumen unseren weiteren Weg am Rücken entlang in Richtung der Seekofelhütte. Dort machen wir nochmal kurz Pause und erreichen dann nach einer weiteren Stunde auf steinigen Pfaden über wunderschöne Wiesen endlich die Senneshütte auf 2.126m – unser Übernachtungsdomizil.
Vor der Hütte warten bereits Andrea & Nicola auf uns, die beiden sind am Nachmittag gut angekommen und so ist die Gruppe nun endlich wirklich vollständig! Beim gemeinsamen Abendessen mit guter Südtiroler Küche gibt es viel zu erzählen, die Stimmung ist gut und die Vorfreude auf die kommenden Tage spürbar.



Tag 2 – Genuss & gefressene Wandersocken
Die erste Nacht im Matratzenlager ist geschafft. Erfahrungsgemäß ist die nie besonders berauschend, aber der italienische Kaffee beim Frühstück macht es wieder gut. Unser erstes Zwischenziel heute ist der Berggasthof Pederü, von dem Nikola & Andrea gestern zur Hütte aufgestiegen sind. Damit sie nicht den kompletten Weg doppelt gehen müssen, entscheiden Sophie und ich uns für eine kleine Variante über das Rifugio Fodara und kommen so ein Stück weg von der weniger spannenden Fahrstraße. Zeit haben wir heute genug, der Tag ist nicht besonders lang und das Wetter bewölkt aber stabil. Das letzte Stück führt dennoch unweigerlich über steile, teils asphaltierte Kehren hinab und ist unangenehm. Die Belohnung wartet aber im Gasthof in Form von Cappuccino und wahlweise Kuchen. Hach ich liebe Italien für seine Küche und die Barista-Maschinen!



Den zweiten Teil, den Aufstieg zum Rifugio Lavarella (oder auch Ücia Lavarella, in diesem Teil der Dolomiten wird ladinisch gesprochen) kenne ich sehr gut. Sowohl im Sommer war ich hier schon mit meiner Familie, als auch im Winter zum Schneeschuhwandern. Das Hochplateau rund um die beiden wunderschönen Hütten Rifugio Fanes & Lavarella bietet extrem viele schöne Möglichkeiten für Bergtouren und Genuss. Nochmal knapp 600Hm wollen vom Berggasthof Pederü, der per Auto erreichbar ist, überwunden werden. Ich gebe den Nachmittag getrost an Sophie ab und reihe mich hinten ein. So habe ich endlich Zeit Fotos zu machen und Sophie rockt das vorne, das weiß ich. Der Weg ist weiterhin nicht besonders schwierig, zu Beginn etwas schmaler, hintenraus dann breiter und wir machen bei der Hälfte nochmal eine längere Pause, bei der wir die Sage der Königstochter Dolasilla und dem sagenumwobenen Reich der Fanes erzählen. Auch wenn ich nicht gebürtig aus den Alpen komme, ein bisschen Kulturgeschichte gehört zu jeder Tour dazu und hier investiere ich in der Vorbereitung auch immer etwas Zeit.
An der wunderschönen Lavarellahütte angekommen ziehen wir die Wanderschuhe & -socken aus, stellen alles weit weg in die Sonne zum Trocknen und bestellen uns erstmal ein verdientes spätes Mittagessen. Jausenplatte, Spinatknödel, Bier aus der eigenen Brauerei – hier wird jeder Wunsch erfüllt. Sogar eine Sauna bietet die Hütte, die schon eher einem gehobenen Berggasthof gleicht. Den Nachmittag nutzen wir zum Entspannen am kleinen See vor der Hütte, auf der Terrasse oder für einen kleinen Ausflug zur 10min entfernten Faneshütte. Sophie und ich verabreden uns hier mit Hans, unserem ehemaligen Ausbilder, der parallel gerade eine Gruppe führt, die auf der Faneshütte übernachtet. Beim gemeinsamen Aperol Spritz genießen wir unsere „Stunde Freizeit“ am Tag und haben viel Spaß.



Als wir zum Abendessen zurück zur Lavarellahütte spazieren, erzählt Daniel dort, seine Wandersocken seien weg, die hätte eine Kuh gefressen. Ich dachte zunächst, er veräppelt uns, aber nein. Seine zum Trocknen über den Zaun gehängten Socken wurden genüsslich von einer Kuh verspeist, vor den Augen der Gruppe. 😄 Zum Glück hat Daniel noch ein weiteres Paar dabei, die Geschichte bleibt trotzdem der Lacher des Abends!
Tag 3 – Wie schön sind die Dolomiten? Ja!
Nachdem die ersten beiden Tage zwar warm und trocken, aber dennoch oft bewölkt waren, weckt uns heute neben den Kuhglocken ein strahlend blauer Himmel und taucht die Umgebung in nahezu magisches Licht. Nach dem Frühstück wählen wir noch kurz unser Abendessen aus und ich schicke Giorgio, unserem Gastgeber am Abend die Bestellliste per Whatapp – so einfach & unkompliziert kann es manchmal sein.
Gut gelaunt geht es dennoch früh los. Tag 3 ist einer der längsten, spektakulärsten und heute leider auch der instabilste Tag der Woche. Am Abend zuvor haben wir noch einen Plan B und C besprochen, falls die Gewitterwolken sich doch früher auftürmen sollten. Bislang sieht es aber vielversprechend aus und auch Sylvia ist beruhigt, als ich beschreibe, dass wir laut Plan vor 15 Uhr an der Seilbahnstation am Lagazuoi sein sollten. „Gewitter kommt nicht vor 15 Uhr“ sagt sie überzeugt. Mit 3x so viel Lebenserfahrung wie ich werde ich mir das wohl mal merken 😏

Wir starten von der Lavarellahütte über die Faneshütte hinauf zum Limosee, der eine so perfekte Spiegelung der Bergwelt zeigt, dass selbst mir kurz die Sprache weg bleibt. Dieser Morgen ist so so schön! Nach einer kurzen Fotopause wandern wir auf breitem Weg entspannt weiter über die Großfanesalm nach Süden. Als der Horizont endlich den Blick auf die Marmolada, die Königin der Dolomiten freigibt, zweigt auch unser Weg ab und wird nun schmaler, anspruchsvoller und steiler. Gute 350Hm geht es nun steinig bergauf zur Forcella di Lech auf knapp 2.500m. Das Panorama ist unglaublich und der Blick von der Scharte hinab zum Lago di Lagazuoi ist einer der eindrücklichsten Ausblicke, an den ich mich erinnern kann. Wir fotografieren um die Wette und genießen nach der Anstrengung eine kurze Pause an der Scharte.




Das erste Stück bergab erfordert nun volle Konzentration. Es ist steil, mit Holzplanken abgestützt und durch das Geröll erfordert dieser Abstieg wirklich eine gute, sichere Technik. Da Sophie und ich zu zweit sind, entscheiden wir im oberen Teil die Gruppe etwas zu trennen. Sophie geht mit Sylvia einen Schritt langsamer. In ihrem hohen Alter ist sie nach wie vor extrem fit und sicher, aber verständlicherweise auch etwas vorsichtiger unterwegs und so fühlt sie sich von der Gruppe hoffentlich nicht gestresst. Am Lago di Lagazuoi machen wir trotz des Wetters eine halbe Stunde Mittagspause. Für die verbleibenden 600Hm zur Lagazuoi Bahnstation brauchen wir nochmal Energie, da zahlt sich die Pause jetzt später aus! Ein paar von uns, mich eingeschlossen, können dem glasklaren See nicht widerstehen und springen in Unterwäsche kurz rein. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich jemals an einem malerischeren Ort baden war.
Aber ewig Zeit lassen können wir uns leider trotzdem nicht, die Wolken quellen langsam. Nach einer kurzen Abstimmung mit Hans (der mit seiner Gruppe heute die gleiche Etappe wandert) entscheiden wir, die Etappe wie geplant zu gehen. Auf dem Weg hinauf gibt es keinerlei Möglichkeiten sich bei einem Gewitter gut in Schutz zu bringen, daher wäre als Plan B von hier auch ein Abstieg über das Rifugio Scotoni möglich. Wir aber wandern weiter bergauf und die Mittagssonne knallt erbarmungslos vom Himmel. Mein Blick wandert immer häufiger nach oben und ich bin doch etwas entspannter, als die alten Minenstollen am Lagazuoi als potentielle Schutzmöglichkeit näher kommen. Kurz vor der Hütte macht sich die Hitze und Sonne bei Daniel bemerkbar. Der sonst topfitte Feuerwehrmann kämpft sich tapfer bis nach oben und ich finde es wieder mal bezeichnend, welche Kraft äußere Einflussfaktoren haben.




Wir erreichen aber absolut in der Zeit das Rifugio Lagazuoi, genehmigen uns dort noch einen Snack und kühle Getränke und ich besorge währenddessen bereits die Seilbahn-Tickets für den Weg nach unten zum Falzarego-Pass. Wir übernachten in einer Pension in St. Kassian und der Bus fährt nur stündlich, so dass wir die passende Bahn nehmen sollten, um nicht Ewigkeiten am Pass warten zu müssen.
Nach einer Verabschiedung von Hans (hier trennen sich unsere jeweiligen Routen) nehmen wir die Bahn nach unten. Während wir an der Bushaltestelle warten, ist Tim kurz verschwunden. Freudig strahlend kommt er aus dem Souvenirladen am Pass – in der Hand nagelneue Wanderstöcke. Auf seiner ersten Tour in den Alpen hatte Tim keine Stöcke und sich an Tag 1 einen Holzstock gesucht. Das Konzept scheint ihn überzeugt zu haben und er hat investiert. 😄 Den Holzstock lassen wir am Pass zurück und hoffen, er leistet jemand anderem noch gute Dienste.
Für den Ohrwurm der Woche sorgt Tim dann auch noch unfreiwillig. Scheinbar ist der Aperol-Spritz-Hype in Amsterdam noch nicht so angekommen, zumindest nicht bei ihm. Er trinkt am Abend seinen allerersten Aperol mit uns und zeigt uns dabei einen Song, den ich bis dato noch nicht kannte. Aber das „Ich trink heut, das ist kein Witz, Aperol Aperol Aperol Spritz“ aus dem Refrain geht mir die gesamte Woche nicht mehr aus dem Kopf – Danke dafür 🙈
Tag 4 – Sommer, Sonne, Sonnenschein & die Cinque Torri
Unsere Nacht bei Giorgio war sehr erholsam und die Bewirtung erstklassig. Bei dem riesigen Frühstücksbuffet sind wir ganz froh, dass wir zunächst nur mit dem Bus zurück zum Falzarego-Pass fahren. Ich übergebe heute wieder an Sophie, wir haben die Tour sowieso gemeinsam geplant und wechseln uns täglich ab. Sämtliche Entscheidungen treffen wir aber zusammen, das ist eine ungemeine mentale Entlastung. In der Nacht hat es ordentlich abgehaust und das Donnergrollen & Blitzen war bis spät nachts zu hören bzw. zu sehen. So wundert es mich nicht, dass wir unterwegs an schattigen Stellen sogar noch frische Hagelkörner finden.



Der Weg ist heute teilweise wieder etwas anspruchsvoller und in den ausgewaschenen Rinnen braucht man manchmal auch kurz die Hände. Wir kommen aber super voran und erreichen nach 2,5h das Rifugio Nuvolau, das auf 2.574 direkt am gleichnamigen Gipfel steht. Die Aussicht ist gigantisch, der Himmel blau und oben werden sogar frische Sandwiches gegrillt. Bei Ankunft auf Hütten hat sich nun an Tag 4 inzwischen eine schöne Routine entwickelt. Wir klatschen uns alle ab und Servane & Caro, unsere beiden Orga-Queens, organisieren derweil schon mal einen schönen Tisch für 10 Personen. Menschen wie die beiden sind in jeder Gruppe Gold wert! Dass Servane als gebürtige Französin auch noch fließend italienisch spricht, macht das Ganze noch idealer 👌

Nach einer gemütlichen Pause am Gipfel machen wir uns an den Abstieg in Richtung unseres nächsten Highlights, den Cinque Torri mit der gleichnamigen Hütte, auf der wir übernachten werden. Da sich laut Regenradar eine Front nähert, umrunden wir die Cinque Torri direkt im Uhrzeigersinn auf dem Weg zur Hütte. Auf dem Weg kann man den Kletterern an den beliebten Felstürmen zusehen und ich kann richtig sehen, wie es Sophie (und auch mich ein bisschen) in den Fingern juckt. 😉
Den Nachmittag und Abend verbringen wir gemeinsam auf der Terrasse der Hütte, schauen am Handy die Verlängerung des olympischen Handball Halbfinals Deutschland – Frankreich (Servane war etwas weniger glücklich mit dem Ergebnis als ich 😏), unterhalten uns über Gott & die Welt und ich genieße sehr, wie vertraut sich die Gruppe inzwischen schon ist. Am Abend zaubert die kleine Hütte mit maximal 24 Übernachtungsgästen ein typisch italienisches Menü, wir spielen Karten, Servane waltet ihres Amtes, bestellt gleich eine ganze Flasche Lagrein und als Sahnehäubchen für diesen Tag wartet draußen ein unwirklich pinker Sonnenuntergang auf uns. In Momenten wie diesen spüre ich nichts als tiefe Dankbarkeit. ♥


Tag 5 – Oh du wunderschönes Val Formin
Der Tag startet wieder sonnig und mit dem typisch italienischen Hüttenfrühstück. Die erste knappe Stunde steigen wir ab und der Pfad ist im Wald zeitweise extrem matschig und rutschig. Wir kommen heil unten an, queren eine Straße und verlassen dann den viel begangenen direkten Weg zum Rifugio Croda da Lago, den heute viele Familien nehmen. Kaum sind wir auf dem Weg Richtung Forcella de Formin, sind wir fast alleine unterwegs. Das Tal ist eines meiner persönlichen Highlights der Tour. Bei einem Wetter wie heute ist es unglaublich schön und einsam hier. Und das leichte Gekraxel durch und über Steinblöcke im oberen Teil macht mir total Spaß – eine willkommene Abwechslung bei doch fast 800Hm Aufstieg. Gegen 13 Uhr erreichen wir die Scharte und suchen uns einen schönen Platz im Gras für eine ausführliche Mittagspause, verzehren unsere Lunchpakete mit Blick auf den Monte Pelmo und gönnen uns einen kurzen Power-Nap.




Von der Forcella de Formin auf 2.462m geht es nun bergab über die Forcella Ambrizzola und dann final zum Rifugio Croda da Lago, 2.046m am Lago Federa. Leider lädt dieser See nicht wirklich zum Baden ein, dafür bietet die Hütte aber eine warme Dusche, leckeren Kuchen und eine tolle Aussicht von der Terrasse. So lassen wir den Tag gemütlich ausklingen und spätestens an Tag 5 können dann auch alle in meiner Gruppe richtig Schnauz spielen. 😎



Tag 6 – Seen & Kaiserschmarrn Spezial
Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen ist auch heute wieder wunderschön & vielversprechend. Die Sonne ist uns diese Woche wohlgesonnen und soll auch heute wieder den ganzen Tag scheinen. Der erste Teil unserer Tour ist ein langer Abstieg mit 900Hm. Den größten Teil davon haben wir nach 1,5h am Lago de Ajal geschafft. Der kleine See liegt so idyllisch, dass wir hier in der kleinen Hütte eine Kaffee-Pause einlegen und die Ruhe genießen. Von hier sind es noch 30min auf breitem Weg hinab zum Lago Pianozes und wir können uns entspannt unterhalten. Ich quatsche mit Andrea & Nicola – die beiden haben sich im Jahr zuvor auf dem E5 bei einer geführten Alpenüberquerung kennengelernt und in diesem Jahr beschlossen, gemeinsam zu buchen. Ich freue mich immer total, wenn auf Wanderungen Freundschaften entstehen und bin überzeugt, dass diese Verbindungen ganz besonders gut funktionieren. 😊

Am See angekommen trifft unser Taxifahrer Enrico zeitgleich mit uns ein – Timing on point. Ich habe bereits am Vorabend mit ihm über Whatsapp vereinbart, dass ich am Lago de Ajal nochmal final eine Zeit durchgebe und das hat hervorragend geklappt. Überhaupt ist Enrico klasse und die Fahrt mit ihm total angenehm und informativ. Während wir durch seine Heimat Cortina d’Ampezzo fahren, erzählt er uns von den anstehenden olympischen Winterspielen 2026 und dem finanziellen Irrsinn, der hier teilweise betrieben wird.



Enrico fährt uns bis kurz vor Schluderbach, nordöstlich von Cortina. Von hier steigen wir durch das Knappenfußtal wieder 500Hm auf und passieren dabei die Grenze von Venetien zurück nach Südtirol. Auch dieses Tal begeistert mich wieder total durch seine Ursprünglichkeit und Einsamkeit. Über die Plätzwiese geht es dann auf breiten Wegen final zur Dürrensteinhütte und damit schon zur letzten Übernachtung unserer gemeinsamen Wanderwoche. Auf der Panorama-Terrasse haben wir Glück, die Küche hat noch geöffnet und so kommen Reiner & Daniel in den Genuss des Kaiserschmarrn spezial, mit jeder Menge frischen Früchten. Das Vater-Sohn Gespann hat mich in dieser Woche auch sehr inspiriert. Die beiden wirken wie die Ruhe selbst, haben Dinge, die nicht nach Plan liefen, einfach hingenommen und sich auf das Positive fokussiert. Außerdem freu ich mich total, dass sie sich diese gemeinsame Zeit über so viele Jahre erhalten.
Der letzte Abend auf unserer Tour endet passend mit einem weiteren wunderbaren Sonnenuntergang, für den wir gerne unsere 247te Runde Schnauz unterbrechen.




Tag 7 – Grande Finale mit Gipfelglück am Strudelkopf
Ein letzter Morgen im Paradies. Und wieder startet der Tag mit Sonne satt. 🌞 Wir können die Rucksäcke nach dem Frühstück im Schuhraum deponieren und die knapp 300Hm zum Gipfel des Strudelkopfs auf 2.307m ohne Gepäck in Angriff nehmen. Das Motto des Tages ist „Alles nochmal aufsaugen und das innere Marmeladenglas randvoll mit schönen Momenten füllen“. Das Gipfelpanorama dort oben gehört für mich zu den beeindruckendsten im Alpenraum. Wir öffnen noch eine Belohnungstüte Katjes Partywunderland und können uns kaum satt sehen. Fast unsere ganze Woche lässt sich von hier nochmal rekapitulieren und im Osten sieht man sogar die Drei Zinnen aus einer etwas anderen Perspektive.




Da wir so früh am Tag unterwegs sind, haben wir den Gipfel sehr lange nur für uns. Als die ersten Tageswanderer eintrudeln, machen wir uns langsam an den Abstieg zurück zur Hütte. Wir schultern unsere Rucksäcke und wandern zur Plätzwiese. Da fast alle am gleichen Tag noch die Heimreise antreten, hat sich die Gruppe entschieden, direkt hier oben den Bus zu nehmen und nicht bis zum Alpengasthof Brückele abzusteigen. Am Gasthof an der Plätzwiese kehren wir ein letztes Mal gemeinsam ein und sogar Spielkarten können wir auftreiben für eine finale Runde. Der Abschied fällt mir dieses Mal echt schwer, von der Gruppe und auch von den Dolomiten selbst. Die gesamte Woche war eine pure Aneinanderreihung von Highlights und das wird sehr schwer zu toppen sein. Außerdem haben wir als Gruppe 7 Tage lang 24h miteinander verbracht, viel miteinander geteilt und sind zusammengewachsen. Trotzdem ist auch die schönste Woche irgendwann vorbei und so ist meine letzte Amtshandlung noch die „Verleihung“ meiner Urkunden-Steine, verknüpft mit ein paar persönlichen Worten an jeden einzelnen. Die folgende Verabschiedung ist sehr herzlich und ich hoffe , dass die Gruppe die Woche in genauso guter Erinnerung behalten wird wie ich. 😊

Was bleibt?
Jede Mehrtagestour ist auf ihre ganz eigene Art & Weise besonders. Und jede neue Gruppe ist wie die Pralinenschachtel bei Forrest Gump: man weiß nie genau was man bekommt. Auch wenn in der Woche lange nicht alles glatt gelaufen ist und täglich neue Herausforderungen auf uns gewartet haben – ich habe diese Woche als eine ganz besondere & wunderbare abgespeichert. Ich hatte unglaublich viel Spaß und die Dolomiten haben mich begeistert & fasziniert zugleich, obwohl ich bei Weitem nicht zum ersten Mal hier war. Ich freue mich immer riesig, meine Gäste am Ende mit einem Lächeln im Gesicht verabschieden zu dürfen, im Nachgang noch Nachrichten zu bekommen und freu mich über jeden, den ich später auf einer anderen Tour wieder sehe. 😊
DANKE an dieser Stelle an Caro, Servane, Nicola, Andrea, Sylvia, Reiner, Daniel & Tim für euer Vertrauen in uns und diese erlebnisreiche Woche, an die auch Sophie und ich noch sehr oft mit einem Grinsen denken. ♥
Hallo Tatjana,
mit Genuss und einem guten Glas Wein habe ich Deinen Block gelesen. Auch jetzt, über ein halbes Jahr später, komme ich immer noch ins schwärmen und Träumen wenn ich an die Tour denke. Deine Beschreibung und die passenden Bilder dazu wecken ganz tolle Erinnerungen. Das diese Tour so schön war ist nicht nur der faszinierenden Bergwelt der Dolomiten zu verdanken sondern auch Dir und Sophie als unsere Wanderführer sowie der tollen Gruppe. Dafür noch einmal viiiiielen Dank.
Ich würde mich riesig freuen wenn wir uns bei irgend einer Bergtour über den Weg laufen 🙂
Liebe Grüße aus der Lüneburger Heide
Reiner